Eine kleine Geschichte der Zeit
10 Jahre Säkulare Humanisten
„Treffen wir uns im nächsten Monat wieder im Café Hauptwache oder wollen wir eine andere Location ausprobieren?“ So — oder so ähnlich — ist es abgelaufen im März 2008, als sich rund zehn Leute nach einem ersten Kennenlernen darin einig waren, die abendliche Diskussionsrunde möglichst bald zu wiederholen und zu vertiefen.
Rasch wurde deutlich, dass uns drei Interessen verbanden:
- das Unbehagen hinsichtlich der unvollständigen Trennung von Staat und Kirche
- die stiefmütterliche Behandlung eines Humanismus nach säkularer Lesart und
- die Absicht, ein interessiertes Publikum auf unsere gesellschaftlichen Einschätzungen und Forderungen aufmerksam zu machen.
Ein gewisses Unbehagen
Nach zügig erfolgter Gründung der damaligen „Säkulare Humanisten – Regionalgruppe Rhein Main des Förderkreises der Giordano Bruno Stiftung“ fanden im weiteren Verlaufe regelmäßige monatliche Gesprächsrunden statt, um gemeinsame Schritte und Überlegungen abzustimmen.
Dabei nahmen wir dermaßen deutlich an Fahrt auf, so dass wir bereits im Herbst desselben Jahres unsere erfolgreiche Vortragsreihe ins Leben rufen konnten, die über sechs Jahre mit mehr als 40 ReferentInnen unser prominentes Aushängeschild war.
Beileibe begnügten wir uns nicht damit, Kirchen- und Religionskritik ein ums andere Mal zu wiederholen. Vielmehr lag es uns am Herzen, auf die ethischen, politischen und wissenschaftlichen Dimensionen einzugehen, die einer rationalen Weltanschauung zugrunde liegen und religiös geprägten Narrativen und Traditionen im Wege stehen.
Früh schälten sich zwei Schwerpunkte heraus:
- Die Beobachtung diskriminierender Einschränkungen hinsichtlich der Rechte von Frauen, SchülerInnen, ArbeitnehmerInnen wie auch dem Recht auf den eigenen Tod sowie
- eine offensichtliche Unkenntnis naturwissenschaftlicher Theorien zur Entstehung des Lebens und deren ethisch relevanten Schlussfolgerungen.
Diese Sachverhalte berührten — und berühren — eine Themenvielfalt, die mitten in der Gesellschaft nach Antworten ringt und in der sich eine säkulare Stimme zu Wort melden muss, wenn es ihr ernst ist.
Abgerundet durch früh ins Rollen gebrachte aktuelle und informative Auftritte in den Social Media und ergänzt durch vielfältige Aktivitäten vor Ort (regelmäßige Stammtische, Sommerfeste, „Happy Birthday Charly“, „Gottloser Bus“, mehrmalige Teilnahme mit Podiumsdiskussionen an den „Interkulturellen Wochen Frankfurt“ u.a.) sind wir nach wie vor der Anlaufpunkt für Menschen im Rhein Main Gebiet, die Kontakt zu Gleichgesinnten suchen.
Engagement lebt von Engagierten
Das isolierte Beklagen politischer Rahmenbedingungen war uns nie Hindernis, sondern vielmehr Ansporn, aktiv werden zu wollen. Manch eine/r mag diskutieren, welch langer Atem ein Eintreten für gesellschaftliche Veränderungen benötigt.
Hierzu sei gesagt: Zu jeder Zeit traten Menschen und Gruppierungen im Spielfeld auf, um auf Missstände hinzuweisen. Wäre dem nicht so gewesen, wäre Frauen auch heute noch die Teilnahme an politischen Wahlen verwehrt, die Meinungsfreiheit nicht garantiert, es gäbe keine Gewaltenteilung, keinen Rechtsstaat.
Daher lag es nahe, einen noch breiter aufgestellten Dialog zu erproben, so dass seit dem Jahre 2010 die regelmäßige Ausrichtung von Informationsständen in der Wiesbadener und Frankfurter Innenstadt zu einem zweiten Schwerpunkt unserer Arbeit wurde: fair, auf Augenhöhe und argumentativ.
Deutlich über 1000 – mitunter kontroverse – Gespräche mit der Bevölkerung belegen eindrucksvoll die Relevanz der säkularen Darstellung im öffentlichen Raum.
Herausforderung Aufklärung
In den letzten Jahren – eine gewisse Sättigung im Rhein Main Gebiet scheint erreicht zu sein – konzentrieren wir uns auf unsere Info-Stände, die Internetpräsenz, die soeben fertiggestellte Neuauflage unserer umfangreichen Informationsbroschüre und ausgesuchte Vortragsreihen, in denen wir uns als Mitveranstalter positionieren. Denn auch dies darf erwähnt werden: Ehrenamtlich organisierte und realisierte Vortragsveranstaltungen können monetär nur begrenzt aufgefangen werden.
Wir werden auch in Zukunft nicht zögern – alleine weil die weltanschaulichen Mitbewerber ihre religiöse Karte ausspielen – bestehenden oder neuen Einschränkungen individueller Selbstbestimmung aus einem kritisch-rationalem Blickwinkel heraus zu widersprechen.
Das Zeitalter der umfassenden Aufklärung und ihrer gesetzgeberischen Neujustierung hat womöglich gerade erst begonnen. Die Säkularen Humanisten im Rhein Main Gebiet bleiben dran.
Weitere Informationen:
https://www.facebook.com/S%C3%A4kulare-Humanisten-Rhein-Main-189269791149711/
Frankfurt am Main, 26.03.2018
Alexander Tschierse